Savannah
Ein stilles Gedicht im Schatten der Magnolien.
Stadt aus Moos und Marmor, aus Whiskey, Wahnsinn und der endlosen Erwartung, dass irgendetwas gleich geschehen wird. Vielleicht ein Mord. Vielleicht ein Kuss.
Savannah ist ein Bühnenbild. Ein südstaatliches Fiebertraum-Diorama unter spanischem Moos. Die Straßen verlaufen in Kurven und Quadraten, die Luft ist warm und schwer wie ein Samtkleid im August. Irgendwo spielt jemand Trompete, und es klingt wie ein Abschied. Oder ein Anfang.
Hier stehen Villen mit schmiedeeisernen Balkonen, die aussehen wie aus einer besseren Zeit – oder aus einem besseren Film. Dazwischen Kirchen, Friedhöfe, Magnolienbäume. Die Stadt ist zu schön, um wahr zu sein, und zu langsam, um echt zu wirken. Sie sieht aus wie ein Gemälde und fühlt sich an wie ein Gerücht.
North Historic District
Tagsüber gleißt das Licht wie durch einen Whiskyfilter. Man schlendert. Man schwitzt. Man tut so, als hätte man keine Vergangenheit und keine Pläne. Und wenn man sich umdreht, ist die Straße hinter einem leer. Wie lange war man hier? Zwei Tage? Drei Leben?
Der Süden lacht nicht, er lächelt.
Savannah trägt Hut. Savannah hat Manieren. Und ein Messer im Strumpfband. Wer hier freundlich ist, meint es nicht immer gut, aber stilvoll ist es immer. Southern Charm nennt man das – ein höfliches Nicken, hinter dem ein ganzes System aus Verboten, Erwartungen und unausgesprochenen Geschichten steckt.
Man bestellt Fried Green Tomatoes, trinkt Bourbon auf Eis, nickt der Bedienung zu wie ein General a.D. und sieht sich plötzlich in einer Szene aus Midnight in the Garden of Good and Evil wieder. Was hier passiert, bleibt nicht geheim – es wird einfach kunstvoll verschwiegen.
Schlafwandlerisch schön
Am Abend wird die Stadt langsamer. Nicht still, nur verträumter. Das Moos hängt schwerer, das Licht kippt ins Violette, und die Geister kommen näher. In Savannah glaubt man an sie. Vielleicht, weil die Vergangenheit hier nie ganz vergeht. Sie bleibt haften wie der Staub auf den Fensterläden, wie der Duft von Jasmin in der schwülen Luft.
South Historic District
Im Moon River District trinkt man einen letzten Drink. Im Bonaventure Cemetery flüstert der Wind durch die Grabsteine. Und irgendwo, in einer dieser Villen mit dem breiten Verandavorbau, tanzt eine Frau barfuß durch ihr Wohnzimmer, weil sie es kann.
Savannah ist ein Flüstern zwischen den Zeiten
Man fährt nicht einfach hin – man gibt sich hin und ist tief gerührt. Und wenn man die Stadt verlässt, dann leise. Ohne Drama. Nur mit einem Gefühl, das irgendwo zwischen Sehnsucht und Déjà-vu liegt.



